Historisch ist der Begriff Alkaloid mit der Eigenschaft verbunden, dass sich die Vertreter dieser Stoffklasse in wässriger Lösung wie eine Base verhalten. Das heißt, sie reagieren alkalisch und bilden mit Säuren Salze. Dies Charakteristikum trifft heute allerdings nicht mehr auf jedes Alkaloid zu. Allen gemeinsam ist aber die typische Endsilbe "-in" in ihrem Namen sowie die Präsenz von Stickstoffatomen innerhalb der chemischen Struktur. Ein weiteres Merkmal ist, dass Alkaloide im pflanzlichen Sekundärstoffwechsel vorkommen. Es handelt sich um Stoffe, die zwar von den betreffenden Pflanzen gebildet werden, aber keine erkennbare essenzielle Funktion haben. Pflanzen könnten also auch ohne Alkaloide auskommen - und das ohne Einbußen. Zu Schutzzwecken Dass Alkaloide möglicherweise von entwicklungsgeschichtlicher Bedeutung sind, sei am Beispiel des Capsaicins erläutert, dem Schärfestoff von Peperoni, Chili und Paprika. Die Schärfe hindert insbesondere Säugetiere daran, die Früchte der Pflanzen zu verzehren. Vögel verspüren den Schärfereiz nicht. Dies hat - so die Vermutung - zur Folge, dass die Früchte vorzugsweise von Vögeln gefressen und die Samen so mit dem Kot über weite Entfernungen verteilt werden. Alkaloide wirken durchweg unterschiedlich auf den menschlichen Organismus. So finden sich unter ihnen Gifte, die bereits in sehr geringen Dosierungen wirken, z. B. das Strychnin und die Mutterkornalkaloide. Andere wiederum dämpfen das Schmerzempfinden, z. B. Morphin, oder wirken zytostatisch wie etwa Vincristin. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Ganz anders wirkt das oben genannte Capsaicin, ein Amid des Vanillins, wenn es in einer kosmetischen Creme appliziert wird. Es hat einen wärmenden Effekt, der etwa in der Fußpflege genutzt werden kann. Die Ursache der Wärmewirkung ist - wie bei anderen Capsaicinoiden auch -, dass der Stoff an TRPV1-Rezeptoren andockt (TRPV1 = transient receptor potential vanilloid 1). Diese wiederum regen Nerven an ("periphere nociceptive Neuronen"), die für Wärme- und Schmerzempfindungen zuständig sind. Mit der Wärme wird auch die Mikrozirkulation verstärkt. Daher nutzt man Capsaicin-Extrakte in der Medizin in Form von Wärmepflastern für die äußerliche Behandlung von Muskelverspannungen. Vanillinester reagieren mit den gleichen Rezeptoren und erhöhen ebenfalls die Hauttemperatur. Bei neuropathischen Schmerzen werden Salben mit Konzentrationen von 0,025-0,01 Prozent Capsaicin verwendet. Werden die Präparate konsequent angewandt, kommt es nach anfänglichem Brennen zu einer Abnahme der Schmerzwahrnehmung. Das lässt sich mit der Toleranzgrenze für scharfe Speisen vergleichen, die bei fortgesetztem Verzehr steigt. Mit den Capsaicinoiden verwandt ist das Spilanthol (N-2-Isobutyl-2,6,8-decatrienamid). Das Amid wird auch Affinin genannt. Affinin verleiht der Parakresse ihren scharfen Geschmack und hat darüber hinaus einen starken anästhesierenden Charakter. Contra Fältchen Spilanthol reduziert die Muskelkontraktion der Mimikfalten, entspannt sie und führt daher zu einer schnellen, sichtbaren Faltenglättung der Haut. Da sich Schärfestoffe aufgrund ihrer chemischen Struktur häufig depotartig im Stratum corneum anreichern, kann man die Dosierung mit der Zeit absenken. Andererseits lässt auch die Konditionierung von Nerven und Muskulatur eine Dosisreduzierung zu - eine Erfahrung, die man auch mit Botulinumtoxin gemacht hat. Nach der Applikation von Parakresse-Extrakten verspürt man einige Minuten lang ein leichtes Kribbeln. Danach werden die behandelten Hautareale unempfindlich. Piperin, der Hauptwirkstoff des Pfefferextraktes, ist ebenfalls ein amidisch aufgebautes, scharf schmeckendes Alkaloid. Es kann die Melanozytenproliferation auslösen, was es für die Anwendung bei Vitiligo interessant erscheinen lässt. Es ist allerdings fraglich, ob die Anwender die Schärfe des Piperins dauerhaft auf der Haut akzeptieren. Außerdem ist zu bedenken, ob das Formaldehyd-abspaltende Potenzial seiner Methylendioxygruppe bei hohen Dosen nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen führt. Koffein alias Tein, das bekannte Genuss-Alkaloid aus Kaffee und Tee, regt - wie das Capsaicin - die Mikrozirkulation an: Die peripheren Gefäße werden erweitert (Vasodilatation). Zu einer starken oberflächlichen Erwärmung kommt es allerdings nicht. Koffein gehört zu den Xanthinen, die eine lipolytische (fettspaltende) Aktivität aufweisen. Als Ersatz für den reinen Wirkstoff können Extrakte aus dem Grünen Tee, Cola oder Guarana dienen. Koffein ist in liposomalen Dispersionen besonders gut verfügbar und wird dort in Konzentrationen von bis zu 2 Prozent eingesetzt. Zum Vergleich: Eine Tasse Filterkaffee enthält rund 100 mg Koffein, eine Tasse Tee etwa 50 mg. Koffein ist ein häufiger Bestandteil kosmetischer Präparate, die bei atrophischer Haut, Cellulite und Haarwuchsstörungen verwendet werden. Wenn es darum geht, von Cellulite betroffene Oberschenkelpartien zu massieren bzw. auch partiell mit Ultraschall zu behandeln, haben sich u. a. Hydrogele mit liposomalem Koffein oder Liposomendispersionen in Kombination mit Grünteeextrakt bewährt. Sie mobilisieren zusammen mit mechanischer Energie Fetteinlagerungen und steigern die Mikrozirkulation. Natürliche Mischung Neben dem reinen Koffein sind Extrakte aus unterschiedlichen Teequalitäten von Interesse, da sie natürliche Kombinationspräparate darstellen. Sie sind vor allem bei atrophischer und zu Unreinheiten neigende Haut sinnvoll, da neben der Wirkung auf die kapillaren Blutgefäße auch das antioxidative, entzündungshemmende, adstringierende und antimikrobielle Potential der Polyphenole (Flavonoide, Epigallocatechingallat) genutzt werden kann. Gelegentlich wurde postuliert, dass Koffein zusammen mit Epigallocatechingallat den Haarwuchs anregen kann. Die unterschiedlichen Teesorten entstehen durch die Verfahrensweisen nach der Ernte. Um grünen Tee herzustellen, werden die Teeblätter gedämpft; so wird die unmittelbar nach der Ernte einsetzende Tätigkeit von Enzymen unterbunden. Daher bleiben Farbe und Vitamine weitgehend erhalten. Wenn die Enzyme nicht inaktiviert werden, dunkeln die Teeblätter und färben sich schließlich schwarz (schwarzer Tee). Bei weißem Tee handelt es sich um Teeblätter, deren Enzyme nach einer begrenzten Zeitspanne durch Wärme unwirksam gemacht werden. Unter den Alkaloiden sind auch Entzündungshemmer. Der Extrakt aus den Wurzeln von Mahonien (Mahonia aquifolium), die zu den strauchartigen, dornenfreien Berberitzengewächsen gehören, enthält das antiinflammatorische und keimhemmende Berberin. Das dunkelgelbe Alkaloid liegt im Extrakt als Salz vor und wurde mitunter als orales Antiseptikum verwendet. Die keimhemmende Wirkung richtet sich insbesondere gegen Bakterien und Einzeller. Vielfältige weitere pharmakologische in-vitro- und in-vivo-Wirkungen wurden publiziert. In der Kosmetik kommt der Extrakt in fettarmen Gelen oder Cremes zur Behandlung unreiner und zu Akne bzw. auch Spätakne neigender Haut zum Einsatz. Das reine Berberin hat den Colour Index CI 75160. Straffende Extrakte In kleinen Mengen oder Spuren kommen Alkaloide häufig in pflanzlichen Extrakten vor und tragen so zum kosmetischen Wirkungsspektrum bei. In diesen Fällen sind die dermalen Einzelwirkungen meist ungeklärt. Als Beispiel sei das Spartein genannt: ein Chinolizidin-Alkaloid, das in den getrockneten Drogen von Besenginster und Schöllkraut bis zu 1,5 Prozent vorkommt. Es stimuliert Herz und Kreislauf und stabilisiert die Zellmembranen bei Herzrhythmusstörungen. Das Alkaloid ist in kleinen Mengen auch im Mäusedornextrakt enthalten, der zusammen mit Saponinen und deren Aglykonen die kapillaren Blutgefäße und das Bindegewebe festigt. Mäusedorn wird bei Rosacea, Couperose und in Präparaten zur Pflege rund um die Augenpartie verwendet. Bei Augenpräparaten dient der Extrakt zur Hautstraffung und wirkt gegen Augenringe und Ödeme. Eine straffende Wirkung in Kosmetika geht auch von Centella-Asiatica-Extrakten (Indischer Wassernabel) aus. Diese enthalten - genauso wie Auszüge des Mäusedorns - Saponine und ihre Aglykone. Die Funktion des Alkaloids Hydrocotylin ist unbekannt. Interessant ist aber, dass es in Asien zur Wundheilung verwendet wird. Bitter bis giftig Wie eingangs bemerkt sind viele Alkaloide giftig. Der in der Regel bittere Geschmack alkaloidreicher Pflanzen schreckt Säugetieren und Menschen vom Verzehr ab. Man kann die essbaren Teile natürlich auch schälen, wie z. B. bei Kartoffeln und Tomaten, die Solanin-reiche grüne Stellen zeigen. Durch Pilze entstehen auf Getreideähren die Mutterkörner mit ihren hochtoxischen Alkaloiden. Diese werden bei der Mehl-Herstellung zuverlässig entfernt. In der Kosmetik eingesetzte Pflanzenöle sind praktisch immer frei von Alkaloiden. So enthält Borretschöl, das wegen seines hohen Gamma-Linolensäuregehaltes bei Barrierestörungen und Neurodermitis eingesetzt wird, auch nach der Kaltpressung keine für die Pflanze typischen Pyrrolizidin-Alkaloide. Der Grund: Alkaloide liegen als Salze vor, die sich in Wasser lösen, aber nicht in Ölen. Deshalb ist man bei Kartoffeln auch vor dem Solanin sicher. Denn bei der Zubereitung von Kartoffeln wird das Kochwasser seit jeher weggegossen. Umgekehrt sind die für die Kosmetik nützlichen Alkaloide nur in wässrigen oder wässrig-alkoholischen Extrakten zu finden. Eine Ausnahme machen die amidischen Capsaicinoide inklusive des Spilanthols. Sie sind öllöslich und lassen sich in der Fettphase von Kosmetika verarbeiten. Analoges passiert bei zu scharfen Speisen: Fetthaltige Sahne und Öle mildern die Schärfe, indem sie Capsaicin aufnehmen. Getränke sorgen dagegen für eine verstärkte Adsorption an der Mundschleimhaut. Nikotinsäure und Nikotinsäureamid (INCI: Niacinamide) haben im Übrigen nichts mit Nikotin zu tun, dem Hauptalkaloid des Tabaks. Nikotinsäure (Vitamin B3) ist lediglich ein durch chemische Oxidation von Nikotin entstehendes Abbauprodukt. Interessant ist allerdings - und damit schließt sich der Kreis zum eingangs erwähnten Capsaicin, dass der Nikotinsäurebenzylester eine ähnliche vasodilatierende und wärmende Wirkung hat und als Rheumasalbe verwendet wird.
Dr. Hans Lautenschläger |