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Radikalfänger - Wirkstoffe im Umbruch

 

Wirkstoffe gegen freie Radikale stehen in Kosmetik und Medizin seit vielen Jahren hoch im Kurs. Immer wieder gibt es neue Substanzen, die noch besser freie Radikale vernichten können. Wie entstehen, was bewirken und wie gefährlich sind Radikale? Was ist der Unterschied zwischen Radikalen und freien Radikalen? Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind.

 

Dazu müssen wir einen kurzen Ausflug in das Liebesleben der Chemie unternehmen. Ein Radikal ist chemisch definiert als ein Molekül, das ein so genanntes ungepaartes Elektron enthält. Dazu muss man wissen, dass Elektronen die Bindungen zwischen den Atomen des Moleküls bewerkstelligen und immer paarweise auftreten. Ähnlich wie im menschlichen Bereich ist das "Single" immer aktiv auf der Suche nach einem Partner, um mit ihm zusammen seine überschüssige Energie loszuwerden. Soweit sich "Single" und "Single" zusammentun, gibt es wenige Probleme. Aber manche "Singles" machen sich an die "Pärchen" anderer Moleküle heran und stiften viel Unruhe im beschaulichen Familienleben. Dies kann sogar zu "Kettenreaktionen" führen, indem immer wieder neue "Singles" entstehen. Bestehende Moleküle werden zerstört und es kann - übertragen auf die physiologische Ebene - zu Schäden in der Haut oder im Körper kommen.

Sauerstoff & Co

Eine der Hauptursachen für die Entstehung von Radikalen ist der Luftsauerstoff. In Gegenwart energiereicher Strahlung wie UV-Licht, manchmal aber auch sichtbarem Licht, kann Sauerstoff aus organischen Verbindungen Radikale erzeugen, die in einer Kettenreaktion mit weiterem Sauerstoff hochreaktive Peroxide bilden. Man nennt diesen Vorgang unter anderem auch Autoxidation. Die Peroxide zerfallen ihrerseits leicht in Radikale, die ebenfalls organische Stoffe angreifen. Allgegenwärtige Spuren von Übergangsmetallen wie z. B. Eisen treten dabei als Beschleuniger (Katalysatoren) auf. In Gegenwart von Eisen-Ionen (Fe2+) bildet z. B. das in der Umwelt und im Körper vorkommende Wasserstoffperoxid (H2O2) hochreaktive, kurzlebige Hydroxyl-Radikale (OH).

Von der Ursuppe bis heute

Im Laufe der Evolution, d. h. ausgehend von einer Sauerstoff-freien Ur-Atmosphäre zur heutigen Sauerstoff-haltigen Außenwelt, haben die Organismen gelernt, wirksame Mechanismen gegen den negativen Einfluss von Sauerstoff und die durch ihn erzeugten (freien) Radikale zu entwickeln, um die körpereigenen organischen Verbindungen zu schützen. Andererseits beziehen die meisten Organismen ihre Energie durch die kontrollierte "Verbrennung" von organischem Material mit Hilfe von Sauerstoff. Das bedeutet, in den Kraftwerken unserer Zellen, den Mitochondrien, setzt der Körper ganz gezielt Radikale ein, um Energie zu gewinnen. Auch bei anderen physiologischen Vorgängen bedient sich der Körper Radikalen, deren Vorstufen oder Derivaten; Stickstoffmonoxid (NO), Superoxid-Anion (O2-) und allgemein ROS (Reactive Oxygen Species) spielen beispielsweise eine große Rolle als Mediatoren bei der Signalübertragung im Körper; unter anderem wirken sie auch mit bei der Auslösung des gezielten Zelltods (Apoptose) epidermaler Zellen. Eine Reihe von Enzymen erzeugen moderate Mengen definierter Radikale; andere wiederum sorgen für deren Vernichtung. Daraus kann man schließen, dass lokal spezifische Gleichgewichts-Konzentrationen (steady-state level) körpereigener Radikale nicht nur vorhanden sein müssen, sondern geradezu lebensnotwendig sind. Länger andauernde Abweichungen von den "Gleichgewichtswerten" nach oben werden als "chronisch oxidativer Stress", Abweichungen nach unten als "reduktiver Stress" bezeichnet; sie werden bei pathologischen Prozessen beobachtet.

Fangen und gefangen werden

Aus diesen Überlegungen lässt sich folgern: Mit Radikalfängern, die freie Radikale inaktivieren oder zerstören können, muss man behutsam vorgehen, um nicht gegebenenfalls über das Ziel hinauszuschießen. Der allgemeine, unkritische Einsatz von Radikalfängern entspricht - wie es ein schlauer Kopf kürzlich in einer Publikation treffend formulierte - der Anwendung eines blutdrucksenkenden Mittels, ohne den Blutdruck zu messen. Nun zeichnen sich die bekannten Radikalfänger wie Vitamin C und Vitamin E daneben durch viele weitere Eigenschaften aus, die ihre Verwendung in Hautpflegemitteln sinnvoll erscheinen lassen. Daher ist es aber umso wichtiger, sie in kleinen Konzentrationen in einem Transportmittel (Liposomen, Nanopartikel) zu verkapseln und ganz gezielt dort anzuwenden, wo sie nach eingehender Hautdiagnostik wirklich benötigt werden. Ein Präparat mit einem "effektiven" Radikalfänger ist noch längst kein effektives Mittel gegen das Altern der Haut.

Die Fangmechanismen

Die Mechanismen der Radikalfänger sind sehr unterschiedlich: Vitamin E wird nach der Reaktion mit einem Radikal selbst zu einem Radikal, das jedoch wesentlich reaktionsträger ist und nur langsam weiterreagiert. Dies gilt für niedrige Konzentrationen. In hohen Konzentrationen wirkt Vitamin E umgekehrt, nämlich pro-oxidativ: es erzeugt unter der Mitwirkung von Luftsauerstoff eine Kettenreaktion. Daher sollte es in kosmetischen Mitteln nur moderat dosiert sein. Vitamin E ist chemisch gesehen eine phenolische Verbindung. Daher findet man generell ähnliche Eigenschaften bei strukturell vergleichbaren Polyphenolen wie z. B. Isoflavonen (Phytohormone; enthalten in Soja, Rotklee - siehe KOSMETISCHE PRAXIS 1/2006, Seite 13 ff.) und Flavonen (grüner Tee).
Vitamin C wird bei der Reaktion mit einem Radikal oxidiert und abgebaut. Vitamin C ist in der Lage, aus gebildeten Vitamin E-Radikalen (siehe oben) wieder Vitamin E zurückzubilden. Daher empfiehlt es sich, beide Substanzen in Kombination anzuwenden.
Typische Radikalfänger sind auch die reduzierten Formen (Hydrochinon-Form) von Vitamin K und Coenzym Q10. Sie bilden bei der Reaktion mit Radikalen so genannte Semichinone und Chinone, die durch körpereigene Reduktionsprozesse wieder in die ursprüngliche Form zurückverwandelt werden können.
Enzymatische Radikalfänger (siehe unten) reagieren ganz selektiv mit Superoxid & Co. Die Verhinderung der Bildung freier Radikale kann auch darin bestehen, die oben erwähnten katalytisch wirksamen Metallspuren durch chemische Komplexbildung unschädlich zu machen. Typisches Beispiel ist die Bildung eines Eisencitrat-Komplexes durch Reaktion von Eisen-Ionen mit Citronensäure. Saccharide und viele Polyphenole (siehe oben) bilden ebenfalls mit Schwermetallen inaktive Komplexe.

Antioxidanzien

Für die Haltbarkeit von Hautpflegemitteln sind Radikalfänger (Antioxidantien) von unschätzbarem Wert. Sie schützen dort vor allem empfindliche Inhaltsstoffe wie Vitamine und essenzielle Fettsäuren vor der Oxidation. Sauerstoff-empfindlich sind auch ethoxilierte Alkohole, die heute als Emulgatoren weit verbreitet sind. Sie bilden, wenn sie nicht durch Antioxidantien geschützt werden, leicht Peroxide, die zu Irritationen (Mallorca-Akne) führen.

Neue Erkenntnisse

Insgesamt gibt es nur wenige Daten über Konzentrationen von freien Radikalen im Stratum corneum und den darunter liegenden Hautschichten. Wenn Datenmaterial vorhanden ist, dann sind es häufig in-vitro-Ergebnisse, die auf die Verhältnisse in der lebenden Haut nur mit Vorsicht übertragbar sind.
In diesem Zusammenhang ist der Blick auf die Apoptose (gesteuerter Zelltod) der Hautzellen von Interesse. Auf ihrem Weg aus dem reduzierenden Milieu der Basalschicht in die oxidierende Atmosphäre im oberen Bereich des Stratum corneums durchwandern sie einen Übergangsbereich, in dem die jeweils adäquate Einstellung des "Redoxgleichgewichtes" von lebenswichtiger Bedeutung ist. Hier müssen letztlich alle denkbaren Angriffe oxidierender Art, die von außen erfolgen, wirksam abgewehrt werden. Es wäre somit logisch, dass in diesem Übergangsbereich von Natur aus besonders hohe Konzentrationen von Radikalfängern der oben beschriebenen Art "Gewehr bei Fuß" stehen. Tatsächlich kommt in den kritischen Zonen jedoch vor allem eine Vielfalt unterschiedlicher stickstoffhaltiger Substanzen vor, die unter anderem aus dem Abbau von membranbildenden Phospholipiden, Sphingomyelinen und Proteinen stammen. Dabei überwiegen Proteine, Amide und Aminosäuren wie z. B. Glycin und Methylglycin. Die höchsten Konzentrationen finden sich in der untersten Schicht des Stratum corneums.
Die stickstoffhaltigen Stoffe sind in höheren Konzentrationen potente Radikal- und ROS-Fänger; sie können einerseits reaktive Radikale in reaktionsträge (siehe oben) umwandeln und andererseits auch direkt mit Peroxiden und atmosphärischen Stickstoffoxiden abreagieren.
Während die in den lebenden epidermalen Zellen befindlichen enzymatischen Radikalfänger wie SOD (Superoxiddismutase), Glutathionperoxidase, Catalase und Thioredoxin in kleinsten Mengen sehr spezifisch und schnell ganz bestimmte Sauerstoffverbindungen abbauen, gleichen die Stickstoffverbindungen ihre geringere Reaktivität durch höhere Konzentrationen aus und reagieren eher unspezifisch auf äußerlich eindringende Radikale und deren Folgeprodukte. Sie erledigen sozusagen die Grobarbeit bei äußerlich verursachtem oxidativen Stress. Da viele von ihnen zum NMF-Faktor gehören, d. h. auch zum osmolytischen Gleichgewicht der Haut beitragen, sollte in der Zusammensetzung von Hautpflegemitteln auf ihre Anwesenheit besonderer Wert gelegt werden. Zu ergänzen ist noch, dass es unter den stickstoffhaltigen und osmolytisch wirksamen Stoffen auch Vertreter gibt, die bei pathologisch induziertem reduktiven Stress (siehe oben) wirksam werden.
Man kann davon ausgehen, dass sich die Erkenntnisse hinsichtlich der stickstoffhaltigen Radikalfänger weiter verdichten. Die Kligman'schen Untersuchungen mit NMF-Substanzen im Bereich der Korneotherapie weisen in die gleiche Richtung.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetische Praxis
2006 (2), 12-14

 
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